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Den demographischen Wandel in Rheinland-Pfalz gestalten!

01/12/2011

Antragsteller:

Landesvorstand

Antrag

Die Herausforderungen und Chancen der demographischen Entwicklung sind Dauerbrenner in der politischen Diskussion. Die Folgen dieses Wandels sind seit vielen Jahren bekannt: Die Bevölkerungszahl geht aufgrund der seit Jahren niedrigen Geburtenrate stetig zurück. Parallel zu dieser Entwicklung verändert sich zudem die Altersstruktur der Bevölkerung hin zu einer immer älter werdenden Gesellschaft. Für Rheinland-Pfalz heißt dies konkret, dass bis zum Jahr 2050 die Bevölkerung um ca. 600.000 auf dann 3,45 Millionen Personen sinkt. Für die Altersstruktur berechnet das Statistische Landesamt eine Zunahme der Personen über 65 Jahre um 38 % und eine Abnahme der Bürger im erwerbsfähigen Alter um 26 %. Langfristig hat dies zur Folge, dass im Jahre 2050 knapp jeder dritte Rheinland-Pfälzer 65 Jahre oder älter sein wird.

Die Junge Union Rheinland-Pfalz sieht in diesem Wandel die Schlüsselherausforderung für die zukünftige Gestaltung unserer Heimat, wovon alle anderen Politikfelder abhängen. Deshalb müssen sich die politischen Akteure rechtzeitig darauf einstellen und vorausschauende Entscheidungen treffen. Gerade die Union ist prädestiniert dafür, die entscheidenden Weichen auf allen politischen Ebenen zu stellen: In keiner anderen Partei gelingt der Zusammenhalt der Generationen so wie zwischen Senioren Union und Junger Union.

Den ländlichen Raum stärken!

Die demographische Entwicklung stellt gerade Kommunen im ländlichen Raum vor besondere und neue Herausforderungen. Gilt es auf der einen Seite den Ansprüchen einer älter werdenden Gesellschaft und den damit verbundenen spezifischen Aufgabenstellungen im ländlichen Raum Rechnung zu tragen, so müssen gleichwohl auf der anderen Seite die notwendige Attraktivität für junge Menschen und gerade für junge Familien gewährleistet werden. Dies sind keine Gegensätze, sondern sie bedingen einander und lassen eine kluge Politik, die diese Themenfelder verbindet, notwendig erscheinen. Dabei setzen wir auf die Verantwortung der Bürgerinnen und Bürger und auf die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinden vor Ort.

Deshalb wollen wir:

  • Schon heute stehen immer mehr Wohnungen und Häuser im Kern unserer Orte leer. Vor diesem Hintergrund hat sich vielfach gezeigt, dass die großzügige Erschließung von Neubaugebieten bei gleichzeitiger konzeptioneller Vernachlässigung vorhandener Wohnraum- und Grundstückspotentiale zu teilweise dramatischen „Entvölkerungen“ in den Ortskernen führen kann. Durch eine restriktive Baulandausweisung und offensive Bewerbung für eine Politik der „Dorfkernsanierung- und Erhaltung“ kann man diesen Tendenzen entgegenwirken. Dabei können schon kleine Anreize, beispielsweise finanzielle, dazu führen, dass alte Bausubstanzen, Baulückenbebauung oder auch der Abriss alter Gebäude und der Neubau an gleicher Stelle, (wieder) attraktiv genutzt werden, d.h. auch energetisch saniert und modernisiert werden. Nach wie vor fehlt es in der Vielzahl der Gemeinden jedoch bereits an einer systematischen Leerstandsanalyse oder einem Monitoringsystem zur Erforschung und Prognostizierung der Leerstände. Dies ist aber die notwendige Grundlage, um einen Gesamtüberblick zu erhalten und wirksame Maßnahmen zur Revitalisierung der Gemeinden und Dörfer zu entwickeln.
  • Der demographische Wandel verändert die Lebens- und Wohnformen. Das Zusammenleben der Generationen erfordert flexible, barrierefreie und modulare Bauweisen in Gemeinde und Stadt.
  • Es wird geprüft, inwiefern das Projekt DORV (Dienstleistung und Ortsnahe RundumVersorgung) auch in kleineren Kommunen in Rheinland-Pfalz umgesetzt werden kann. Bei diesem Projekt aus Nordrhein-Westfalen bündelt ein moderner Tante-Emma-Laden durch bürgerschaftliches Engagement die Nahversorgung, Dienstleistungen, sozial/medizinischen Dienste, Kommunikation und Kultur („5-Säulen-Modell“) für kleine Kommunen von 800 bis 3000 Einwohnern[2]. Die Einrichtung eines Modellprojekts kann die Zukunftsfähigkeit dieses Konzepts verdeutlichen. Denn eine Gemeinde ohne Einkaufsmöglichkeit verliert an Attraktivität und Lebensqualität. Kein Lebensmittelgeschäft im Dorf – dann fehlt nicht nur eine praktische Einkaufsmöglichkeit, sondern auch ein wichtiger Ort der Begegnung.
  • Wir wollen die Generationen im ländlichen Raum zusammenbringen. Das Modell der Großfamilie, wie wir es von früher her kennen, existiert aufgrund der Abwanderung vieler junger Menschen und anderer Faktoren immer weniger. Dennoch können wie in der Großfamilie die Generationen voneinander lernen und sich gegenseitig bereichern. Oft ist nur das gegenseitige Kennenlernen und der Austausch untereinander notwendig, damit sich rüstige Renterinnen und Rentner gebraucht fühlen und junge Eltern weniger Sorgen haben, wenn es zum Beispiel um Fragen der Kinderbetreuung geht. Daher wollen wir uns an Projekten zur Generationenhilfe aktiv beteiligen.
  • Nicht in allen Dörfern können zukünftig alle Angebote vorhanden sein. Daher erscheint es ratsam, innovative Konzepte zur Lösung dieser Aufgabenstellungen zu entwickeln. Durch ein aktives Standortmarketing, Bildung von gemeinsamen Regionen bis hin zur Erstellung von bestimmten Clustern, ist die Palette von Handlungsmöglichkeiten groß. Wir sprechen uns für die vermehrte freiwillige Zusammenarbeit von Kommunen aus, da dies häufig zu nennenswerten Synergieeffekten führen kann, die gerade vor dem Hintergrund ständig auch steigender finanzieller Belastungen der Kommunen genutzt werden sollten.
  • Für die Wohnortwahl junger Familien und die Entscheidung, im ländlichen Raum wohnen zu bleiben, sind viele Faktoren von Bedeutung. So spielt das Angebot an qualifizierten Arbeitsplätzen vor Ort eine zentrale Rolle. Die Verbindung von Wohnen, Freizeit und Arbeit ist dabei nicht nur in den Ballungsräumen ein immer wichtiger werdender Ansatz, sondern auch als Ansatz im ländlichen Raum zu verfolgen. Die Landwirtschaft als wichtiger Wirtschaftsfaktor bedarf dabei einer besonderen Berücksichtigung. Weiterhin sind Angebote an frühkindlicher Bildung, an Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen sowie bei der Gesundheitsversorgung wichtige Stellschrauben.
  • Neben der sozialen Infrastruktur ist aber auch die verkehrliche Erreichbarkeit und das Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs sowie das Thema der Breitband-Internetversorgung ein wesentliches Qualitätskriterium, um junge Familien für die ländlichen Regionen zu gewinnen und die Wohnqualität für die älter werdende Gesellschaft zu erhalten. Deshalb muss der Ausbau der kabelgestützten Breitbandinternetversorgung weiter vorangetrieben werden. Insbesondere kleinere, ländliche Dörfer dürfen nicht auf die erst im Aufbau befindliche LTE-Technik vertröstet werden.
  • Weiterhin stellt uns das Abwandern der Landärzte vor neue Herausforderungen in Bezug auf die medizinische Grundversorgung im ländlichen Raum. Auch hier ist die Politik gefragt, entsprechende Anreize für diese Ärzte zu geben, dass der Beruf des „Landarztes“ wieder attraktiver wird.
  • Wir sprechen uns für die strikte Beachtung des Subsidiaritäts- und Konnexitätsprinzips aus! Die Kommunen kennen ihre Probleme, Chancen und Entwicklungspotentiale am besten, daher sollte die Entscheidung darüber bei ihnen liegen. Das alles setzt unter anderem auch eine vernünftige finanzielle Ausstattung der Kommunen und Städte voraus, damit die Gemeinden vor Ort nicht nur ihre originären Aufgaben erfüllen können, sondern auch entsprechend notwendige Entwicklungsmöglichkeiten erarbeiten können.

Bildung demographiefest machen!

Durch die Veränderung der Altersstruktur der Bevölkerung werden in Zukunft immer weniger Arbeitskräfte den Wohlstand für die Gesellschaft erwirtschaften müssen. Die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungssystems ist zentral für die Zukunft unseres Landes. Alle Anstrengungen müssen deshalb unternommen werden, um unseren Nachwuchs exzellent auszubilden und somit der Gefahr eines Fachkräftemangels zu begegnen.

Deshalb wollen wir:

  • Die individuelle Förderung in einem möglichst differenzierten Schulsystem gewinnt in Zukunft noch mehr an Bedeutung. Wir wollen dafür sorgen, dass jedes Kind und jeder Jugendliche die seinen Talenten gerechte, bestmögliche Ausbildung erhält. Jeder einzelne soll in die Lage versetzt werden, für sich und seine Familie zu sorgen und ein selbstständiges und selbstbestimmtes Mitglied der Gesellschaft zu sein.
  • Erhalt von Schulstandorten im ländlichen Raum. Wir werden uns dafür einsetzen, dass Schulstandorte im ländlichen Raum erhalten bleiben. Allerdings sind uns angesichts prekärer Haushaltslagen die Grenzen dieses Anliegens bewusst. Daher sollten alle Schulstandorte auf den Prüfstand, um unter Beteiligung aller Betroffenen nach Lösungen zu suchen, die finanzpolitisch unvermeidlich, bildungspolitisch aber sinnvoll und für die Menschen zumutbar bleiben. Wenn Schulstandorte zusammengelegt werden müssen, soll dennoch jeder Jugendliche im ländlichen Raum die Möglichkeit der individuellen Förderung erhalten. Daher gilt es, die Angebote des ÖPNV dahingehend anzupassen, Teilzeitinternatsplätze zu schaffen oder über die Möglichkeit von Hausunterricht in Kleingruppen nachzudenken.
  • In vielen Schulen kann die demographische Entwicklung auch als Chance betrachtet werden. So muss die Zahl der Lehrer in den nächsten Jahren trotz sinkender Schülerzahlen konstant gehalten werden, um so zu einem besseren Betreuungsverhältnis von Lehrern und Schülern zu gelangen.
  • Einsatz neuer Medien. Neue Medien verändern unsere Arbeitswelt, unser Sozialverhalten und unseren Alltag. Kinder und Jugendliche wachsen mit Internet, Tablet-PC und Smartphones auf, neue Medien sind für sie eine Selbstverständlichkeit. Nur langsam sind Reaktionen innerhalb unseres Bildungssystems darauf zu verzeichnen. Hier gibt es erheblichen Nachholbedarf und große Chancen, um den Veränderungen durch den demographischen Wandel zu begegnen. E-Learning-Programme, interaktives Lernen u.v.m. ermöglichen Schülern die Beteiligung am Unterricht, ohne dass sie jeden Tag persönlich anwesend sein müssen. Dadurch können größere Distanzen im ländlichen Raum überwunden werden und individuelle Förderung wird gewährleistet. Neue Medien ersetzen weder das wichtige Lehrer-Schüler-Verhältnis und trotz ihrer Interaktivität bleibt das gemeinsame soziale Lernen von Schülerinnen und Schülern im Klassenraum unverzichtbar. Neue Medien können die Arbeit im Bildungsbereich aber entscheidend verbessern und unterstützen. Lehrerfortbildungen in diesem Bereich sind notwendig.
  • Bildungs- und Erfahrungsschatz älterer Menschen nutzen. Ob in Betrieben, Ausbildungsinstitutionen, Schulen, Nachhilfeinstituten oder in Projekten zur Generationenhilfe im ländlichen Raum – Bildung und Erfahrung älterer Menschen ist ein reicher Schatz, von dem junge Menschen profitieren können. Daher sollten Organisationsstrukturen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass Ältere ihre Erfahrungen an Jüngere weitergeben können und die Generationen von einander lernen
  • Lebenslanges Lernen. Wir wollen lebenslange Neugierde und Lernbereitschaft fördern. In einer rasant sich verändernden, globalisierten Welt ist es erforderlich, dass jeder einzelne seine Kompetenzen stets ausbaut und auch Neues dazulernt. Dafür wollen wir ein gesellschaftliches Klima schaffen und die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen.
  • Wissenschaftsstandort Rheinland-Pfalz stärken. Wir brauchen exzellent ausgebildete und motivierte Wissenschaftler in Rheinland-Pfalz, die das Land mit Ideen und Innovationen wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell voranbringen. Kostenintensive Programme zur Rückgewinnung von deutschen Wissenschaftlern aus dem Ausland und Anwerbung ausländischer Wissenschaftler sind das eine. Auf der anderen Seite muss intensiv daran gearbeitet werden, dass der Wissenschaftsstandort Rheinland-Pfalz für junge einheimische Absolventen attraktiv gestaltet wird. Hier gibt es aktuell erheblichen Nachholbedarf.

Die richtigen landespolitischen Weichen stellen!

Landespolitische Entscheidungen müssen jeweils die Auswirkungen auf die demographische Entwicklung im Blick haben, da diese alle Politikfelder beeinflusst. Es kommt darauf an, sowohl Handlungsspielräume für die Zukunft zu erhalten als auch einzelne Gesetzesinitiativen generationengerecht auszugestalten. Zudem wird es in einem Flächenland wie Rheinland-Pfalz zu regional sehr unterschiedlichen Auswirkungen auf kommunaler Ebene kommen. Landespolitik muss deshalb die verschiedenen Interessen und Nöte vor Ort ernst nehmen, koordinieren und zu Informationsaustausch anregen.

Deshalb wollen wir:

  • Die in der Landesverfassung verankerte Schuldenbremse muss konsequent eingehalten und umgesetzt werden. Der demographische Wandel bewirkt, dass die angehäuften Schulden in den öffentlichen Haushalten auf immer weniger Köpfe verteilt werden. Dieser Effekt wurde durch die jahrelange verantwortungslose Schuldenpolitik der Landesregierung noch weiter verstärkt. Durch zahlreiche Prestigeobjekte und falsche Prioritätensetzung ist der Schuldenstand in Rheinland-Pfalz auf ein Höchstmaß angestiegen. Eine Politik des „Weiter so!“ verbaut Handlungsspielräume für zukünftige Generationen.
  • Die Ausgaben des Landes müssen regelmäßig auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden. Insbesondere im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit der Staatskanzlei und der Ministerien sind Einsparpotenziale vorhanden; diese teure Selbstdarstellung muss beendet werden. Subventionen in Bereiche ohne Zukunftsperspektive sind abzuschaffen.
  • Demographische Entwicklung ist eine Querschnittsaufgabe durch die verschiedenen politischen Ressorts. Daher ist zu prüfen, inwiefern ein „Beauftragter für den Zusammenhalt der Generationen“ eine bessere Koordination zwischen den Ressorts ermöglichen kann. Für alle Gesetzesinitiativen gilt dabei, dass sie daraufhin überprüft werden, ob sie generationengerecht ausgestaltet sind. Das heißt, dass keine politischen Entscheidungen getroffen werden dürfen, die einseitig Generationen belasten oder unverhältnismäßige Lasten auf die nachfolgenden Generationen verschieben.
  • Das Land Rheinland-Pfalz erstellt eine zentrale Datenbank, in der Projekt- und Maßnahmenbeschreibungen erfolgreicher Initiativen von Kommunen und Bürgern präsentiert werden. Diese können über eine entsprechende Webseite öffentlich eingesehen werden. In vielen Kommunen werden heute schon die richtigen Weichen für die Zukunft gestellt. Dabei muss das Rad nicht immer neu erfunden werden und erfolgreiche Projekte und Maßnahmen sollen zur Nachahmung anregen. Dies ist auch im Sinne interkommunaler Zusammenarbeit und Kommunikation.
  • Besonders vorbildliche Projekte werden regelmäßig mit einem „Generationen-Preis“ ausgezeichnet. So wird auf der einen Seite Öffentlichkeit und Bewusstsein für dieses wichtige Thema geschaffen. Auf der anderen Seite kann ehrenamtliches Engagement vor Ort gewürdigt und angeregt werden.
  • Eine schrumpfende Bevölkerungsdichte wird es notwendig machen, die Strukturen der Verwaltung anzupassen. Neben Front-Office/Back-Office-Lösungen und mobilen Bürgerämtern wird eGovernment eine verstärkte Rolle spielen. Dies muss technisch, rechtlich und infrastrukturell vorbereitet werden. Technisch ist ein ausreichender Datenschutz bei persönlichen Legitimationsmöglichkeiten sicherzustellen. Ohne Datensicherheit bereits bei den Legitimationsdokumenten werden die Bürger die Möglichkeiten des eGovernment nicht annehmen. Rechtlich ist zu prüfen, ob zentrale Einheitliche E-Ansprechpartner geschaffen werden können, die Anfragen, Anträge und sonstige Begehren weiterleiten. Infrastrukturell muss sowohl der Ausbau der Behördennetze als auch der privatrechtlich betriebenen Breitbandinfrastruktur vorangetrieben werden. Ein deutschlandweites Grabungsregister kann dabei helfen, bei der Erdverkabelung Synergien mit öffentlich finanzierten Straßen-, Kanal- und sonstigen Bauvorhaben zu nutzen.

[1] Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz (2007): Rheinland-Pfalz 2050. 2. Regionale Bevölkerungsvorausberechnung (Basisjahr 2006). Bad Ems: Statistisches Landesamt, S. 83-91 (mittlere Variante).

[2] http://www.dorv.de/ (Stand: 19.10.11).

Abstimmung

Vortum der Antragkommission:
Annahme in der vorliegenden Fassung
Votum des Landestages:
Annahme in der vorliegenden Fassung